Wolfgang Angermeir – Malerei

Berge – Landschaft – Figur

Reden

Rede Erich Gruber zur Eröffnung der Sommerausstellung 2004 der GBK Straubing:


Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kunstfreunde,
Erfreulicherweise ist die bildende Kunst in unserer Gesellschaft Teil des
Alltags geworden: Kunst im Kindergarten, Kunstausstellungen von Schülern,
Ausstellungen in Banken, Krankenhäusern, Geschäften, Lokalen usw.
Kunst in Galerien und auf Symposien. Vernissagen als gesellschaftliches
Ereignis.

In der Öffentlichkeit wird die Kunst auf einem breiten Feld präsentiert. Und
oberflächlich wird gerne alles in einen großen Kunst-Sack gesteckt.
Björn Norgaard, ein schwed. Bildhauer hat es so formuliert: „Kunst ist ein
großes leeres Loch. Alles lässt sich hineintun.“
Darin verbirgt sich allerdings auch eine Gefahr: die Verallgemeinerung von Kunst
und das Missverständnis von Kunst.

So verdichtete sich bei mir der Gedanke, über den eigentlichen und absoluten
Kunstbegriff nachzudenken selbstkritisch nachzudenken und zu reflektieren. Was
ist denn überhaupt Kunst? Welche Kriterien sollte sie erfüllen?
Ist das überhaupt Kunst, was sich so dafür hält oder gehalten wird? Lässt sich
die Kunst überhaupt definieren?

Will man über Kunst sprechen, so gilt es natürlich zu differenzieren. Von
welcher Kunst sprechen wir:
Von Kunstausübung mit therapeutischem Ansatz, von Kunstausübung, die der
Erziehung dient, von Kunst, die rein dem Gelderwerb dient, von Kunst, die nur
dem Zeitvertreib gilt, von Kunst, die nur der Dekoration dient, von Kunst, die
in den Museen gezeigt wird.

„Kunst“ ist schon ein eigenartiger Begriff. Man muss zugeben, dass dieser
Begriff den Menschen in seinen Bann zieht, dass das Zugeständnis sich Künstler
nennen zu dürfen oder genannt zu werden eine besondere Würdigung zu sein
scheint. Darin liegt natürlich auch die Gefahr, den „Begriff“ Kunst und Künstler zu
missbrauchen, zu verwaschen, fehl zu interpretieren.


Damit Redner und Zuhörer sich nicht missverstehen, muss ich Ihnen sagen, welche Kunst ich anspreche. Ich meine die Kunst als Kunst, wo sie sich Selbstzweck, wo sie absolut frei, sich selbst überlassen ist, wo sie keine höheren Gesetze kennt als ihre eigenen…

Schon bei der Auswahl und Vorbereitung einer Kunstausstellung tritt das Problem
auf, einem Kunstbegriff gerecht  werden zu wollen oder zu sollen.
Der Kunsthistoriker Helmut Leppien weist darauf hin, „dass Kunst etwas ist, das
sich der flotten Definition entzieht. Und wer sich ein Leben lang … mit Kunst
befasst hat, der erkennt,: Kunst will stets aufs Neue definiert werden.“

Bis ins 19. Jahrhundert hatte man kaum Probleme bei der Zuweisung des Begriffes „Kunst“. Das besondere handwerkliche Können, das sich im Werk der Kunst offenbart, schließt in der Regel Fehlinterpretationen aus. Die im 20. Jahrhundert immer weiter voranschreitende Kündigung der Allianz der Kunst mit
Handwerk, Wissenschaft, Religion, Politik und Wirtschaft sollte dem Künstler die
unbegrenzte Freiheit bringen. Deshalb ist Kunst in unserer Zeit letztendlich vielleicht gar nicht definierbar, also dürfte es keine Regeln geben, die bestimmen, wie die Kunstwerke beschaffen sein müssen.


Gibt es dann überhaupt einen Unterschied zwischen einem Kunstwerk und einem
Nicht-Kunstwerk? Ich denke schon. Denn es sind natürlich Kriterien für Kunst
aufgestellt worden.

Als Grundpositionen der Kunst könnten vielleicht aufgezählt werden:
“ Eine gekonnte Synthese aus Form und Inhalt
“ Eine Formung des Geistigen und des Emotionalen
“ Eine Wiedergabe der Weltbildsituation
“ Ein formales Können und ein experimentelles Denk-Spiel
“ Ein gelungener Ausdruck des Bedeutsamen
“ Einsatz der Metapher als bildnerisches Symbol

Dagegen argumentiert der Schweizer Philosoph Walther Zimmerli: „Fraglos, Kunst
ist für uns das, was Kunst gewesen ist.“

Und Pablo Picasso meinte: „In den Museen sieht man nur „misslungene Bilder“. Was wir als Meisterwerke ansehen, sind die Werke, die sich am weitesten von jenen Regeln entfernten, die die Meister der betreffenden Epoche aufstellten. Die
besten lassen am deutlichsten das Stigma des Künstlers erkennen, der sie gemalt
hat.“
Aber nicht nur erst seit Beuys, als eine Putzfrau nach einem Ausstellungstag die
Fettecke beseitigte und somit ein Kunstwerk zerstörte, ist es schwierig, Kunst
als Kunst zu erkennen.

Ob ein Werk Kunst ist, steht meiner Meinung nach nicht in direktem Zusammenhang, mit der gesellschaftlichen Stellung des Gestalters, mit der Quantität von Werken, mit der Größe, mit dem Ort oder mit der Gestaltungsart, sondern einzig und allein mit seiner internen Qualität.

Um dies feststellen zu können, muss unbedingt ein Bezug zum Schöpfer und dessen in der Arbeit unterlegten Motivation hergestellt werden.

Dazu sollte sich ein hohes Maß an Erkenntnisfähigkeit gesellen: richtiges Sehen
und Erkennen als Bedingung für eine letztendliche Kunstzuweisung. Dazu ist auch
ein spezifisches Wissen unabdingbar. Um Kunst zu verstehen braucht man auch
einen Einblick in die Intentionalität des Künstlers, denn Unverständnis führt
zwangsläufig zur Ablehnung und zur Zurückweisung dieser Objekte als Kunst.
Metaphern dienen Künstlern als kunstspezifisches Symbol. Bildhaft-sinnlich
Gegebenes wird mit einer anderen als geistig zu bezeichnenden Ebene in Beziehung gesetzt. Nur deshalb kann nach Meinung von Armin Thommes ein Kind im Normalfall keine Kunst schaffen, weil es noch nicht über die entsprechenden geistigen Befähigungen verfügt.

Eigentlich müsste es der Künstler selber am besten erspüren, ob er Kunst
schafft. Was ist sein Antrieb? Das Ego, der Ruhm, das Geld, der Inhalt, die Seele, die Aussage? Hat er das Werk „nur gekonnt“?

Die Entscheidung, ob ein Objekt als Kunst zu benennen ist, wird aber auf anderem Wege getroffen. Kunstkenner und Experten müssen hierüber ein Urteil abgeben. Der Philosoph und Kunstgeschichtler Armin Thommes bringt es auf folgendes Statement: „Die innerhalb einer Kennerschaft vollzogene Anerkennung eines durch Form und Inhalt gekennzeichneten Objektes als Kunst – das ist „Kunst“.

Wie ergeht es dem Empfänger von Kunst, also dem Betrachter mit der
Kunstzuweisung. Wenn wir wissen, dass ein Werk als Kunst anerkannt wird, d.h. von einem berühmten Künstler geschaffen ist, so nehmen wir diese Arbeit anders wahr, als wenn es diese Auszeichnung nicht hätte, d.h. unser Wissen über das Objekt beeinflusst  auch unsere ästhetische Auffassungsweise.


Tritt der Betrachter nun unvoreingenommen einer Arbeit gegenüber
kann er entscheiden, ob ihm ein Werk gefällt oder missfällt. Er kann auch Kriterien anlegen und nachweisen. Er kann seine eigene Kunstzuweisung tätigen: “ Kunst ist, was mit meiner eigenen Kunsttheorie in Übereinstimmung gebracht werden kann.“

Aber ob nun gekennzeichnete Kunst dem absoluten Kunstbegriff, d.h. absoluter
Originalität und Intentionalität entsprechen kann, weiß letztendlich doch wiederum keiner hundertprozentig. Es weiß vielleicht das Werk selber und das kann nicht sprechen. Clemens Münster zitierte in den Frankfurter Heften: „Was Kunst ist, bestimmen die Werke, nicht die Kritiker.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was hat diese Philosophie über Kunst mit der Ausstellung hier im Rathaus zu tun?

Nun ich meine sagen zu können, dass jeder Aussteller – und das sind in diesem
Jahr 57 – in diesem Spiel und in dieser Auseinandersetzung mit der Kunst im
Allgemeinen, in seiner eigenen Kunsttheorie und in seiner Beschäftigung mit der
Kunst seine Position finden und auch zeigen will.

Seit über 50 Jahren unterstützt die Gemeinschaft dieses Ansinnen der Künstler
aus der Region und der Mitglieder darüber hinaus, die mit Straubing eine
Verbindung haben. Dass jeder Maler, Grafiker oder Bildhauer seine eigene
Identität und Originalität sucht und zum Ausruck bringen will, zeigt die große
Bandbreite von Techniken, Bildinhalten und Bildaussagen.
Wie weit das einzelne Werk wirklich dem idealen und absoluten Kunstbegriff, den
ich zu zeichnen versucht habe, gerecht werden kann oder in einer Ausstellung wie
der Sommerausstellung überhaupt muss, weiß nur das einzelne Werk selbst. Auch
eine einberufene Jury, die die Aufgabe übernimmt, die Ausstellung zu gestalten,
kann einem solchen Anspruch nicht gerecht werden.

Ach wäre es mit der Kunst doch so einfach wie es sich Picasso einmal vorgestellt
und erträumt hat:
„Eines Tages nehme ich einen Fahrradsattel und eine Lenkstange, setze sie
aufeinander – ich mache einen Stierkopf. Sehr gut.
Was ich aber sofort danach hätte tun sollen: den Stierkopf wegwerfen. Ihn auf
die Straße, irgendwohin werfen, aber wegwerfen. Dann käme ein Arbeiter vorbei,
läse ihn auf und fände, dass man aus diesem Stierkopf vielleicht einen
Fahrradsattel und eine Lenkstange machen könnte. Und er tut es…
Wundervoll wäre es.“


Einführung zur Ausstellungseröffnung Malerei von Wolfgang Angermeir in der „Galleria“ im Klinikum Deggendorf am 03.11.1999 von Martin Seidemann, Berlin.

Meine sehr geehrtem Damen und Herren, liebe Freunde, lieber Wolfgang,

Vor eineinhalb Jahren, als ich eine Einführung der „Workshop-Ausstellung“ in Plattling machte, wünschte ich Wolfgang Angermeir bald eine Einzelausstellung, in der er die Möglichkeit hat, seine intensiven Arbeiten einmal in größerem Umfang zeigen zu können. In diesem Jahr hatte er diese Chance anläßlich des „Plattlinger Künstlersommers“ und ich habe mich darüber gefreut.

Seit beinah fünf Jahren verfolge ich seine künstlerische Entwicklung. Damals 1995, war er ein begabter Maler, der am Anfang stand und seinen Weg suchte. Heute ist er, obwohl nach wie vor beim Amtsgericht tätig, weit davon entfernt Hobbyist oder Laienkünstler zu sein.

Inzwischen ist er Mitglied im Berufsverband Bildender Künstler und verschiedener Künstlergruppen und Vereine. Vor allen Dingen aber hat sich seine künstlerische Arbeit und künstlerische Haltung seht weit dem Professionellen angenähert.

Wolfgang Angermeir ist Maler, einer der immer ganz von der Farbe herkommt. Seine Bilder leben von der Kraft der Farben, der Spontaneität des Vortrages und dem guten Gefühl für das Maß.

Hinter der oft leicht erscheinenden, spielerischen Art mit der er die Oberfläche seiner Bilder lebendig werden läßt, verbirgt sich ernsthaftes Anliegen, konzentrierte und kontinuierliche Arbeit und die Bereitschaft viel zu investieren. Da sehe ich auch eine direkte Verbindung zu seiner zweiten Leidenschaft, dem Bergsteigen: Denn Durchhaltevermögen und kreative Phantasie sind ja auch dort sehr notwendig.

Hier in dieser kleinen Ausstellung hat er leider nicht die Möglichkeit, die Vielseitigkeit seiner Begabung zu präsentieren; arbeitet er doch oft seriell, in kurzer Zeit folgt ein Bild dem anderen, Erkenntnisse aus einem fließen schnell und direkt in folgende Bilder ein. Ich denke dabei z.B. an die Steinbilder aus Karpathos, die figürlichen Arbeiten, die Akte der letzten zwei Jahre und an die farbig sehr schöne Reine der „Marken-Bilder“ (davon hängt eines ganz rechts).

Wolfgang Angermeir bevorzugt die gegenständliche Malerei. Er sieht in der Natur im Konkreten die Erlebnisse für seine Arbeit. Ein Satz Picassos trifft auch auf seine Arbeit zu: „Nicht nach der Natur arbeite ich, sondern vor der Natur, mit ihr.“

Von den hier ausgestellten Bildern möchte ich besonders auf die kleine, vorgestern entstandene Bayerwald-Landschaft hinweisen: Sie ist in ihrer skizzenhaften Frische und dem feinen Rhythmus des Farbklangs ein gutes Beispiel für seine Arbeit.

Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluß kommen, soll doch der Umfang meiner Rede dem Umfang der Ausstellung zugeordnet sein.

Ich wünsche Wolfgang Angermeir, daß er seinen Weg als Maler möglichst unbeeinflußt weitergeht. Wenn die Gipfel bergsteigerischer Vorhaben verhältnismäßig klar zu umreißen sind, machen ja gerade das Suchen und das Unterwegssein die künstlerische Arbeit aus. Und das ist ja auch gut so.

Ich wünsche der Ausstellung Erfolg. Sie ist hiermit eröffnet.